Mit Fredy Barth und Seat Swiss Racing beim WTCC-Lauf in Portugal – Ein Mann für alle Fälle

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Für den TV-Konsumenten dauern Rennen zur Tourenwagen-Weltmeisterschaft WTCC rund 25 Minuten. Für einen Rennfahrer wie den Zürcher Fredy Barth sind sie mehr als ein Vollzeitjob. Wir begleiteten ihn zum Rennen auf den Stadtkurs Boavista in Porto, Portugal.

Fredy Barth: Wir waren beim WTCC-Rennen in Porto hautnah dabei.
Fredy Barth: Wir waren beim WTCC-Rennen in Porto hautnah dabei.


Freitag, Nachmittag. Porto, im Norden von Portugal. Ankunft, Taxi, Hotel Check-In, Akkreditierungsbüro und dann mit einem Shuttle zur Rennstrecke. Fredy, der schon am Donnerstag angereist ist, hatte bereits ein erstes freies Training: «Es gibt noch viel Arbeit für die Techniker. Wir sind noch zu langsam, aber wenigstens läuft jetzt der Motor.»

Feierabend hat er deshalb noch lange nicht. Der Rennprofi des Teams Seat Swiss Racing sitzt im improvisierten Büro des spanischen Teams Sunred, das alle Seat-Fahrzeuge betreut und arbeitet am Laptop.

Rückblende: Seit zwei Rennen haben auch die von Sunred eingesetzten privaten Seat Leon inklusive dem Team Seat Swiss Racing von Fredy Barth auf den neuentwickelten 1,6-Liter-Turbo gewechselt. Ihm, statt dem bisherigen Diesel, gehört die Zukunft. Allerdings ist er noch brandneu, beim letzten Einsatz von Fredy in Brünn hat er nur Fehlzündungen von sich gegeben.

Zurück nach Porto: Das eigentliche Rennfahren auf der Strecke ist für Fredy Barth nur ein kleiner Teil seiner Arbeit. Er ist auch Unternehmer, der das Budget für den Einsatz des Teams Seat Swiss Racing bei den zwölf Rennveranstaltungen zur WTCC in Südamerika, Europa und Asien durch mannigfaltige Aktivitäten sicherstellt. Klassisches Sponsoring ist nur eine davon.

Fredy Barth ist auch Reiseveranstalter, Rennfahrer-Coach und Instruktor bei Fahrtrainings auf Rennstrecken sowie seit neustem Fersehproduzent! In seiner FB Trading & Consulting GmbH Team sind mittlerweile drei Assistentinnen engagiert.

Nach dem erledigen einer Flut von Mails sichtet und schneidet er mit seinem Kameramann Filmsequenzen. Dieser filmt als Ergänzung der offiziellen Bilder von Eurosport im Auftrag von Fredy: Interviews vom eloquenten Fredy Barth mit Alain Menu, dem zweiten Schweizer im Feld, der bei Chevrolet Werkspilot ist. Oder mit Seat-Teamkollege Tiago Monteiro. Fredy Barth braucht diese für seine eigene WTCC-Sendung, die er mit Sponsoren für das Schweizer Sportfernsehen ins Leben gerufen und finanziert hat.

Danach geht’s zur nächsten Baustelle, dem Seat Leon Rennfahrzeug. Meeting mit seinem persönlichen Ingenieur. Jetzt werden die subjektiven Fahreindrucke von Fredy und die unendlich vielen Telemetriedaten aus dem freien Training sorgfältig analysiert und besprochen, was es zu tun gibt. Jedes einzelne Teil der komplexen Radaufhängungen kann fast beliebig verstellt werden. Und nur wenn alles zusammenpasst, verfügt das Fahrzeug über ein perfektes Handling.

Samstag. Für Fredy ein langer, harter Arbeitstag. Um 9 Uhr findet das erste freie Training statt. Kurz darauf das zweite und nach dem Mittag die für die Startaufstellungen der beiden Rennläufe entscheidende Qualifikation. Für jede Aktion gibt es ein enges Zeitfenster. Alles muss passen. Nach Rang 6 im freien Training macht sich berechtigter Optimismus breit.

Bei Fredy läuft jedoch nicht alles nach Wunsch. Wegen kleiner Probleme kann er auf der engen, jedoch ultraschnellen Piste im freien Training nur wenige Runden drehen. Und im Qualifying, in das er zwei Reifensätze für zwei schnelle Runden investiert, geht sein Plan, knapp unter die zehn Ersten zu fahren, in die Hosen. Neun Hundertstel fehlen! Fredy ärgert sich wie selten. Die zehn Ersten starten in umgekehrter Reihenfolge zum ersten Lauf und können im Q2 die Startplätze für den zweiten Lauf ausfahren. Fredy ist 13., sein Startplatz für beide Rennen.

Dann um 17 Uhr kommt Leben in die Bude, sprich in die Hospitality von Seat Swiss Racing. Seine über 30 Gäste kommen an: Journalisten, Gäste von Seat Schweiz und Fans, die bei Fredy eine VIP-Reise mit allem Drum und Dran gebucht haben. Zuerst gibt es Tapas und Getränke und dann eine wie immer souveräne Begrüssung von Fredy Barth, der trotz seinem Ärger strahlt und von seinen bisherigen Taten erzählt.

Danach geht es für die echten Rennfans und auch die Novizen aus dem Journalistenlager ans Eingemachte. Fredy Barth bietet Rennsport zum Anfassen. Zuerst lotst er seine Gäste durch die improvisierte Zeltbox und beantwortet bei seiner Führung alle Fragen zum komplexen Rennfahrzeug und zur Vorbereitung. Barth: «Für die sechs Seat-Rennfahrzeuge sind pro Wochenende fast sechzig Mitarbeiter von Sunred im Einsatz: vom Catering-Mitarbeiter bis zum persönlichen Fahrzeug-Ingenieur von jedem Fahrer».

Hoch professionell, konzentriert und mit vollem Einsatz wickelt Fredy auch den nächsten Programmpunkt ab: Renntaxifahrten auf dem spektakulär schnellen Circuito da Boavista, auf dem in ähnlicher Form schon ab 1930 Rennen stattgefunden haben.

RENNTAXIFAHRT MIT FREDY BARTH IM SEAT LEON IN PORTO

Ich habe schon wirklich viele solcher Taxifahrten erlebt, auch auf der Nürburgring-Nordschleife und auch schon mit wesentlich spektakuläreren Fahrzeugen. Mit Fredy macht es jedoch immer wieder viel Spass und auf der schnellen portugiesischen Piste mit den hohen Leitplanken und den vielen nicht einsehbaren Kurven fährt es richtig ein. Wie es im ausgeliehenen Seat Supecopa zuging, könnt ihr im selbstgedrehten Video erleben.

Fredy ist unermüdlich und schafft es in der kurzen Zeit, rund zwei Dutzend seiner Gäste mit einer Taxifahrt zu beglücken. Was 24 rennmässig gefahrenen Runden entspricht. Das ist mehr als die beiden sonntäglichen Rennen zusammen. Alle strahlen und fahren danach zum gemeinsamen Nachtessen während Fredy mit seinem Ingenieur erneut das studieren von Telemetriedaten und das optimieren des Fahrwerk-Setups bevorsteht.

Sonntag, Renntag. Beim Warmup um 9 Uhr bestätigt Fredy seinen Speed und seine gute Form. Rang 7, was ihn aber angesichts der unglücklichen 13. Startplätze ärgert. Im Rennen ist wie immer viel Hektik angesagt. Der junge Spanier Villa übernimmt sich schon in der ersten Runde und dreht Fredy um. Ein nachfolgendes Fahrzeug trifft ihn am Hinterrad, das bedeutet Ausfall. Fredy humpelt zur Box, wo eiligst repariert wird. Als Funktionskontrolle dreht er zum Schluss noch eine einzige Runde. Es wird die siebtschnellste des ganzen Rennens.

Alain Menu gewinnt diesen Lauf im Chevrolet nach einem klaren und sehr souveränen Start-Ziel-Sieg von der Pole-Position aus. Menu: «Ich hatte immer alles im Griff und nie übermässig Druck von meinen beiden Teamkollegen».

Nervenkitzel auch im zweiten Lauf. Vor Fredy bleibt ein Auto stehen. Nur um Millimeter können Alain Menu und er sich zwischen dem Volvo und den Leitplanken durchzwängen. Dann geht es für Fredy doch einigermassen nach vorne. Im extrem harten und ausgeglichenen Weltklasse-Feld ergattert er als Zehnter noch einen WM-Zähler. Beinahe wird er vom abgeschossenen BMW von D’Aste in der allerletzten Kurve noch torpediert.

Der Seat Leon von Seat SWISS Racing: Fredy Barth driftet durch den Leitplankenkanal von Porto, Portugal.
Der Seat Leon von Seat SWISS Racing: Fredy Barth driftet durch den Leitplankenkanal von Porto, Portugal.

Zielflagge. Endlich kann auch Fredy aufatmen. Alle freuen sich über den Punkt, alle gratulieren und alle haben gesehen, auf welch hohem Niveau in der WTCC gefahren wird. Aus de Ferne mögen nur Siege wirklich zählen. Aus unmittelbarer Nähe sieht man, mit welchem Aufwand selbst ein einziger Punkt erkämpft werden muss. Alain Menu, der souveräne Sieger des ersten Laufes rast von Startplatz neun im zweiten Lauf als Sechster, wenige Sekunden vor Fredy, durchs Ziel. Während der Genfer mit seiner Familie essen geht, widmet sich Fredy erneut seinen Gästen.

Beim gemeinsamen Abendessen in der Altstadt von Porto wechselt er professionell und regelmässig den Tisch, um mit jedem Gast plaudern zu können und jede Frage der Journalisten beantworten zu können. Fredy Barth macht seinem Ruf wieder einmal alle Ehre: Er ist ein Rennprofi ohne Allüren, authentisch, sympathisch, zum Anfassen. Und er ist ein unermüdlicher Kämpfer. Selbst seine Konkurrenten bewundern ihn und attestieren ihm: Keiner tut mehr, um seinen Traum vom Profirennfahrer leben zu können als Fredy Barth.

Comments (3)

Herbert KonradJuli 7th, 2011 at 07:44

Die bisherige Ausbeute an Punkten in der WTCC widerspiegelt in keiner Weise das Talent und die Professionalität von Fredy Barth und seinem Team. Die deutlichen Fortschritte in der Zuverlässigkeit des neuen Motors stimmen mich zuversichtlich, dass Fredy schon sehr bald nicht nur einen, sondern ganz viele Punkte aus einem Rennweekend in seinem SEAT Leon abholen wird.

sluescherJuli 7th, 2011 at 07:55

Das sehe ich genauso. Und ich bin sicher, dass es schon bald klappen wird. Sunred und der Schweizer Heinz Lehmann aus Triesen haben den neuen Motor schon richtig gut hingekriegt, was in der kurzen Zeit nicht selbstverständlich ist. Chevrolet hat rund ein Jahr Vorsprung. Und Fredy verseht es inzwischen, das Fahrzeug sehr gut abzustimmen.

Irene NyffelerJuli 7th, 2011 at 08:05

Hoi Stefan,
Tolle Berichterstattung! Beim Lesen fühlt man sich, als ob man mitten im Geschehen wäre.
Grüessli, Irene

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