Audi-Werkspilotin Rahel Frey in der DTM: Frauenpower in der Männerdomäne Rennsport

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Rahel Frey will in ihrem zweiten Jahr in der knallharten Profiliga DTM (Deutsche Tourenwagen Masters) als Audi-Werkspilotin gegen die besten Tourenwagenpiloten reüssieren. Ein ambitioniertes Unterfangen, das mit der zweitschnellsten Rennrunde nach der Sommerpause auf dem Nürburgring eine höchst erfreuliche Richtung nahm.
Von Stefan Lüscher

Rahel Frey ist auf dem Nürburgring hervorragend in die zweite Saisohälfte 2012 gestartet. Jetzt nimmt die DMT-Audi-Werkspilotin die Konkurrenten ins Visier.
Rahel Frey ist auf dem Nürburgring hervorragend in die zweite Saisohälfte 2012 gestartet. Jetzt nimmt die DMT-Audi-Werkspilotin die Konkurrenten ins Visier.

Frauen haben es in dem von Männern dominierten Motorsport nicht einfach. Wir erinnern uns als Michelle Mouton in der Rallye-WM, an Lella Lombardi in der Formel 1 und jüngst an Danica Patrick bei den IndyCars. Alle drei waren äusserst erfolgreich, der ganz grosse Lorbeer blieb ihnen aber verwehrt.

Umso erstaunlicher ist es, dass aktuell gleich zwei Schweizerinnen in grossen internationalen Rennserien auf Profiniveau fahren. Simona De Silvestro startet im Team HVM Lotus im dritten Jahr in der amerikanischen IndyCar Series, wenngleich sie diese Saison wegen des krass unterlegenen Lotus-Judd-Motors schon früh abhaken musste. Rahel Frey nahm 2012 ihre zweite Saison als offizielle Werkspilotin von Audi in der spektakulären Deutschen Tourenwagen Masters (DTM) in Angriff und zeigt beim Team Abt Motorsport einen erfreulichen Aufwärtstrend. Während der ersten Saisonhälfte war sie zwar insbesondere in den Qualifyings noch immer meistens am Schwanz des Feldes. Die Rückstände zur Spitze konnte sie aber markant verkürzen und insbesondere der Rennspeed ist seit einigen Rennen auf dem Niveau der männlichen Konkurrenten.

Mit der insgesamt zweitschnellsten Rennrunde hinter Sieger Spengler (BMW) liess Audi-Werkspilotin Rahel Frey auf dem Nürburgring aufhorchen..
Mit der insgesamt zweitschnellsten Rennrunde hinter Sieger Spengler (BMW) liess Audi-Werkspilotin Rahel Frey auf dem Nürburgring aufhorchen..

Ihr bisher bestes Rennen lieferte Rahel Frey nach der Sommerpause 2012 auf dem Nürburgring ab. Mit Klassierungen in den Top11 kündigte sie ihren Aufwärtstrend schon in den freien Trainings an. Das Q2 der besten 16 verpasste sie schliesslich um 16 Tausendstel gegen keinen Geringeren als Markenkollege Mathias Ekström. Noch besser war ihre Leistung im Rennen. Bei extremer Hitze leistete sie sich keinen Fehler, attackierte rundenlang Ralf Schumacher und fuhr hinter Sieger Bruno Spengler (BMW) die zweitschnellste Rennrunde und notabene die schnellste Rennrunde eines Audi.

Rahel Frey: «Bei Audi habe ich meinen absoluten Traumberuf und ich freue mich riesig auf jedes einzelne Rennen. Ich bin extrem motiviert und ehrgeizig und möchte endlich auch gegen meine männlichen Kollegen reüssieren. Auf dem Nürburgring ist mir das gelungen. Jetzt muss ich auf diesem Level aufbauen. Ich bin absolut fit, konnte mit dem komplett neuen Audi A5 DTM bei vielen Testfahrten im Winter und jetzt in der Sommerpause teilnehmen und ich fühle mich im neuen Team von Abt Motorsport sehr wohl.»

Das Qualifying 2 verpasste Audi-Werkspilotin Rahel Frey auf dem Nürburgring um 16 Tausendstel gegen Ex-Meister und Markenkollege Mathias Ekström.
Das Qualifying 2 verpasste Audi-Werkspilotin Rahel Frey auf dem Nürburgring um 16 Tausendstel gegen Ex-Meister und Markenkollege Mathias Ekström.

Die 26-jährige Solothurnerin bestritt schon als 12-Jährige Kart-Rennen und lehrte so das Handwerk des Rennfahrens. Als noch sehr scheue und zierliche 18-Jährige überraschte sie dann in der damals stark besetzten Schweizer Formel Renault 2.0 Meisterschaft. 2005 fuhr sie sechs Mal aufs Podium, drehte in sieben von neun Rennen die schnellste Rennrunde und eroberte bis Ende Jahr den dritten Meisterschaftsrang.

Erstmals ihre Zähne im internationalen Motorsport zeigte sie 2007. Bei Jenzer Motorsport in der Formula Master bewies sie Talent und machte Audi-Motorsportchef Dr. Wolfgang Ulrich auf sich aufmerksam. Sie wurde Ende Saison von Audi zu DTM-Testfahrten eingeladen und hinterliess einen positiven Eindruck. Frey: «Das war eine tolle Erfahrung vom Formel-Rennwagen in den doppelt so starken und schweren Renntourenwagen. Ich nachhinein bin ich aber froh, dass es mit der DTM damals noch nicht geklappt hat. Ich war noch zu jung und zu unerfahren für diese Profiliga.»

Stattdessen wurde sie 2008 offizielle Werksfahrerin von VW in der Formel 3. Die Saison endete enttäuschend, im holländischen Team Van Amersfoort kam sie nie zurecht. Erst ein Jahr später gelang ihr im kleinen Privatteam des Schweizers Jo Zeller der erste Formel 3-Sieg einer Frau im deutschen  ATS-F3-Cup. Doch einmal mehr endete die Saison enttäuschend. Diesmal, weil ein Sponsor nicht zahlte und sie schon nach wenigen Einsätzen die Segel streichen musste.

Nach Anfangsschwierigkeiten mit dem neuen Audi A5 DTM, fährt Rahel Frey inzwischen auf dem Niveau ihrer männlichen Konkurrenten.
Nach Anfangsschwierigkeiten mit dem neuen Audi A5 DTM, fährt Rahel Frey inzwischen speziell im Rennen auf dem Niveau ihrer männlichen Konkurrenten.

Rahel Frey: «Am Anfang der Rennkarriere ist alles überschaubar und du hast auch deine Eltern, die dir helfen können. Irgendwann nimmt das Ganze enorme Dimensionen an und du bist auf zahlungskräftige Geldgeber angewiesen. Das ist für jeden Sportler nicht einfach. Ich dachte mehrmals, jetzt ist alles aus. Und dann ging immer wieder eine Türe auf.»

Die ganz grosse Türe öffnete sich 2011. Rahel Frey wurde ins Werksteam von Audi engagiert. Fast ohne Testfahrten konnten die Bäume in der ersten Saison sportlich gesehen zwar nicht in den Himmel wachsen. Sie war im Training meistens Letzte und konnte sich auch im Rennen nie wirklich durchsetzen. Was in der hochkarätigen DTM allerdings keine Schande ist. Da ist manchmal das komplette Feld innerhalb einer Sekunde. Und damit tun sich auch gestandene Ex-Formel 1-Piloten wie Ralf Schumacher und David Coulthard seit Jahren schwer.

Immerhin war man bei Audi mit der Schweizerin sehr zufrieden und verlängerte ihren Vertrag. Dr. Wolfgang Ulrich: «Rahel hat in ihrem ersten DTM-Jahr sehr viel gelehrt und grosse Fortschritte gemacht. Auch wenn dies auf der Rangliste noch nicht ersichtlich wurde, hat sie den Rückstand auf die Spitze kontinuierlich verkleinert. Wir arbeiten gerne mit ihr. Sie ist ein Profi mit Talent und grossem Ehrgeiz und auch eine sehr sympathische und zur Marke passende Botschafterin.»

Mit ihrer steilen Lernkurve, ihrem Ehrgeiz und den immer besseren Rundenzeiten hat sich die zierliche Schweizerin längst den Respekt des Teams und der Konkurrenten verdient.
Mit ihrer steilen Lernkurve, ihrem Ehrgeiz und den immer besseren Rundenzeiten hat sich die zierliche Schweizerin längst den Respekt des Teams und der Konkurrenten erarbeitet.

In der Saison 2012 wollte sie sportlich unbedingt mehr zeigen, wenngleich dies mit dem komplett neuen Audi A5 und dem Neueinstieg von BMW als dritter Hersteller in der DTM nicht leichter wird. Insbesondere im direkten Zweikampf wollte sie zulegen und sich Respekt verschaffen. Trotz ihrem Fliegengewicht hat sie dafür gute Voraussetzungen. Während der Wintermonate und der Rennpausen unterzieht sie sich einem konsequenten Kraft- und Ausdauertraining. Die obligatorischen Trainingscamp mit Audi, dann viel Langlauf im nahen Jura, gezieltes Krafttraining und zusätzliche Trainingseinheiten bei Spezialist Otmar Keller.

Auch abseits der Piste ist Rahel Frey für Audi viel und gerne im Einsatz. Dank dem letztjährigen Sponsor Glamour hat sie es sogar auf eine doppelseitige Anzeige ins Vogue geschafft. Kürzlich durfte sie als Botschafterin des kompakten Audi A1 bei einem Fotoshooting in acht unterschiedliche Rollen schlüpfen. Rahel Frey: «Als Rennfahrerin fühle ich mich bedeutend wohler, denn als Fotomodell. Trotzdem hat das Shooting Spass gemacht. Am wohlsten habe ich mich eindeutig in der Rolle als Pilotin gefühlt. Primär als DTM-Pilotin im neuen Audi A5 aber auch in der schicken Pilotenjacke. Früher wollte ich in der Armee Helikopterpilotin werden. Als ich mit dem Rennsport angefangen hatte, war dieses Thema aber schnell erledigt. Mit der DTM hat sich mein grösster Wunsch erfüllt. Auch als Rockerlady war es lustig. Musik ist aber nicht so mein Ding. Versuche mit dem Klavier gingen schief. Auch als Glamour-Girl im Ballkleid war es gewöhnungsbedürftig. Eher wie zuhause im elterlichen Autohaus in Aedermannsdorf (SO) fühlte ich mich in der Rolle als Geschäftsfrau. Ich habe soeben die Abschlussprüfungen zur eidgenössisch diplomierten Autoverkäuferin hinter mir. Als Mechanikerin würde ich mich weniger eignen, da lasse ich lieber die Jungs ran.»

 

STECKBRIEF RAHEL FREY
Geboren:
23. Februar 1986
Geburtsort:
Niederbipp (SO)
Ausbildung:
Sportgymnasium, Autoverkäuferin, Rennfahrerin
Hobbies:
gutes Essen, Sport allgemein
Grösse/Gewicht:
1.63 m/52 kg
Motorsport:
1998 – 2004:
Kart
2004:
Formel Renault 2.0, SM-Vierte
2005:
Formel Renault 2.0, SM-Dritte
2007:
Formula Master mit Jenzer Motorsport, Freitagsfahrerin A1 Grand Prix
2008:
VW Werkspilotin ATS F3 Cup
2009:
ATS F3 Cup, Erster Sieg einer Frau, Team Jo Zeller Racing
2010:
Le Mans (Damenteam Matech Ford GT), Gaststart VW Scirocco R-Cup
2011 + 2012:
DTM, Werkspilotin bei Audi

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